Wie entsteht Angst – Teil 1

Kennst du jemanden, die Angst vor etwas für dich völlig Ulkigem hat? Zum Beispiel Angst vor Schwangeren? Oder Angst vor Katzen? Kaum nachzuvollziehen. Was viele nachvollziehen können ist die Angst vor Spinnen.

Obwohl – mein Vater konnte das überhaupt nicht verstehen und hat mir die größten, ekligsten Exemplare, die sich ins Haus verirrt hatten, immer von ganz nah zeigen wollen. Weil die sind ja harmlos und hoch interessant anzusehen.
Super Aktion. Ich habe mich schreiend unter der Bettdecke verkrochen. Damals war ich so 12 rum.

Warum habe ich so voller Angst reagiert?

Wenn ich in einem ruhigen Moment darüber nachdachte war mir schon klar, dass diese Spinne harmlos ist, ich zig-fach größer bin als sie, ich sie einfach töten könnte, sie weder giftig noch bissig ist – ich also keine Angst haben muss.

Diese Weisheit, wie generell alles Überlegtes und Schlaues, entstammt unserem Großhirn, genauer gesagt dem präfrontalen Cortex. Nennen wir es einfach unser Professoren-Gehirn.

Aber dieses Wissen nützte mir nichts, sobald ich so eine Spinne sah und Angst bekam. Da war es dann aus mit „ruhiger Moment“ und „nachdenken“. Da ist einfach eine riesen Panik aktiviert worden und mit mir war nicht mehr vernünftig zu reden. Meine Angst schwand erst, als mein Vater dieses Monster rausgebracht hatte und ich wieder sicher war. Denn töten durfte er sie natürlich nicht, ich bin ja tierlieb!

Was passiert da?

Ganz einfach: mein Stammhirn hat übernommen. Sobald wir Gefahr – lass mich präzisieren – Lebensgefahr wahrnehmen, springen jahrtausendealte Überlebensmechanismen an. Die beschränkte Auswahlmöglichkeiten lauten: Kampf, Flucht, Erstarrung. Da unser Professoren-Gehirn zwar super schlau ist, aber echt langsam im Verarbeiten von Informationen, wird es in solchen Momenten einfach nicht befragt. Sobald etwas Angst auslöst, geht es ums Überleben, da ist jede Millisekunde entscheidend. Override des präfrontalen Cortex ist angesagt!

Blitzschnelles Reagieren und wie auf Autopilot sein, dafür ist das Stammhirn verantwortlich. Es wird auch Reptilien- oder Echsengehirn genannt, da wir diesen Teil des Gehirns mit den – genau – Echsen gemein haben. Echsen gab es schon vor den Dinosauriern, die auch schon ein paar Tage passé sind. Was ich sagen will: Echsen sind echte Überlebenskünstler, wenn auch nicht besonders helle im Kopf. Aber auf Angst reagieren sie blitzschnell.

Harmlose Spinne = Lebensgefahr?!

Wenn das Professoren-Gehirn doch weiß, dass hier weit und breit keine Lebensgefahr ist, warum wird das Stammhirn getriggert?

Weil es irgendwann in seiner Geschichte – also in der Lebensgeschichte seines Menschen – etwas falsch verknüpft hat. Wenn ich mit Kindern arbeite, sage ich hier gerne, dass die Echse irgendwann mal was falsch verstanden hat und deswegen jetzt total über reagiert.

Was könnte das gewesen sein? Vielleicht hat das Kind als Kleinkind seine Mutter beobachtet, wie diese panisch auf ein Insekt reagierte und deswegen abgespeichert: Krabbeltier = total gefährlich. Das Kind bekam Angst davor.
Manchmal hat das, was sich im Heute als Angst vor Spinnen zeigt, ursprünglich nichts mit Spinnen zu tun. Die Angst kommt aus Ecke 1, der Ekel aus Erlebnis 2, die Hilflosigkeit von Erinnerung 3. Das Echsengehirn hat dann das Ganze etwas vorschnell mit Spinnen verknüpft. Und schon haben wir den Salat.

Was war bei mir das Echsen-Missverständnis? Ich weiß es nicht. Ich bin dieser Sache nie auf den Grund gegangen. Irgendwann, als junge Erwachsene, war ich von mir selber und meinen Reaktionen so genervt, dass ich beschlossen habe, keine Angst mehr vor Spinnen zu haben. Ich mag die großen fetten Spinnen heute immer noch nicht, fange sie aber entspannt mit einem Glas. Und bevor ich sie rausbringe, schaue ich sie mir genau an – denn interessant sind sie ja schon!

Teil 2:
Wie geht das mit dem Abschalten der Überreaktion?

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